Bericht über den Workshop

Approximation of Perturbed or Controlled Dynamics

Irsee, 15 - 18. 3. 1998

Organisatoren:   F. Colonius (Universität Augsburg),   M. Dellnitz (Universität Bayreuth)

im Rahmen des DFG-Schwerpunktprogramms "Ergodentheorie, Analysis, und effiziente Simulation dynamischer Systeme" ( DANSE)


Organisatorischer Ablauf des Workshops

An dem Workshop nahmen 22 Wissenschaftler (inklusive 6 Doktoranden) teil. Die Teilnehmer stammten aus 6 Ländern, 8 der Teilnehmer sind Mitglieder des DFG Schwerpunktprogramms. Die Teilnehmer waren alle im Schwäbischen Tagungs- und Bildungszentrum Kloster Irsee untergebracht, wo auch die Vorträge stattfanden. Die effiziente und individuelle Organisation im Bildungszentrum hat beträchtlich zu dem kooperativen Tagungsklima beigetragen. Die Vorträge wurden entsprechend dem beigefügten Programm durchgeführt, wobei die vorgesehene Zeit für die einzelnen Vorträge allerdings wegen der daran anschließenden lebhaften Diskussionen meist beträchtlich überzogen wurde. Diese Diskussionen wurden auch außerhalb des offiziellen Programms, begünstigt durch die gemeinsame Unterbringung, intensiv fortgeführt. Insgesamt wurden elf einstündige und ein halbstündiger Vortrag gehalten.

Der Workshop wurde auch dazu genutzt, um im Anschluß daran einzelne Teilnehmer zu Gastaufenthalten einzuladen (Prof. W. Kliemann in Augsburg, Prof. K. Mischaikow und Prof. A. Dontchev in Bayreuth).


Sachbericht über die wissenschaftlichen Ergebnisse

Das Ziel des Workshops war es, in verschiedenen Bereichen auftretende Aspekte der Approximation dynamischen Verhaltens, also der Langzeitanalyse, zusammenzuführen. Sowohl bei der Analyse von kontrollierten Systemen als auch bei der von gestörten Systemen treten ähnliche Fragen auf. In beiden Fällen ist ein nominales (ungesteuertes, ungestörtes) System der Ausgangspunkt, und eine explizite Zeitabhängigkeit wird durch deterministische oder zufällige Störungen bzw. Kontrollen eingeführt. Das resultierende System kann auch als Differentialinklusion beschrieben werden. Typischerweise können die hier interessierenden Invarianten nicht analytisch beschrieben werden. Daher ist das Hauptinteresse auf die numerische Berechnung der relevanten Objekte gerichtet, also der Lyapunov-Exponenten, der Attraktoren, Viabilitätskerne, Erreichbarkeitsmengen, etc.

Es gibt eine Reihe von konkurrierenden Techniken, um diese zu berechnen. Diese schließen die Berechnung von Attraktoren dynamischer Systeme, die Approximation von Viabilitätskernen oder Diskretisierung von Differentialinklusionen ebenso ein wie Methoden der optimalen Steuerung, insbesondere Hamilton-Jacobi-Bellman-Differentialgleichungen.

Der einleitende Vortrag von W. Kliemann skizzierte, insbesondere in Hinblick auf die Approximation komplexen Verhaltens und eingebettet in die Theorie der Kontrollflüsse, "trajektorienweise" numerische Verfahren zur Berechnung von Erreichbarkeitsmengen, Kontrollmengen und ihrer Einzugsbereiche. Eine Alternative bieten Verfahren, die auf der effizienten numerischen Lösung von Hamilton-Jacobi-Bellman-Gleichungen beruhen. Diese aktuellen Methoden aus der optimalen Steuerung, die auch zur Berechnung von Lyapunov-Spektren herangezogen werden können, wurden von L. Grüne dargestellt. F. Wirth diskutierte für zeitdiskrete Probleme Anwendungen auf kontrolltheoretische Fragestellungen, wie Robustheitsanalyse und Stabilisierung.

Einen weiteren Schwerpunkt bildeten Verfahren, die im weiteren Sinn den Cell-Mapping-Methoden zuzuordnen sind. Hier ist die Effizienz der entscheidende Gesichtspunkt. E. Kreuzer stellte eine Strategie zu adaptiven Verfeinerung der Zellen vor, die (intuitiv gesprochen) an der Steigung der Dichte des invarianten Maßes orientiert ist. Verwandt dazu ist ein von O. Junge vorgestellter Algorithmus zur effizienten Berechnung von invarianten Maßen. Von Seiten der Viabilitätstheorie für Differentialinklusionen beschrieb P. Saint-Pierre die algorithmischen Ideen und die Implementation von Algorithmen zur Berechnung von Viabilitätskernen. Beeindruckend war hier zum einen die Vielfalt der Probleme, die sich so formulieren lassen. Zum anderen sind Viabilitätskerne durch ihren Rand beschreibbar. Effiziente Algorithmen können dies ausnutzen, um lokal die betrachteten Gitter zu verfeinern. Dies ermöglicht es, die (wie bei all diesen Berechnungen kritische) Dimension der Probleme um eins zu vermindern.

Der Beitrag von G. Osipenko ging über diese Algorithmen zur Berechnung von Teilmengen des Zustandsraums hinaus, indem er ein (allerdings noch nicht implementiertes) Verfahren zur Berechnung des Morse-Spektrums (ungestörter Differentialgleichungen) vorschlug, das ebenfalls auf Cell-Mapping Ideen beruht. L. Arnold und G. Ochs präsentierten überraschende numerische Ergebnisse über das komplexe Verhalten zufälliger Differentialgleichungen nahe Bifurkationspunkten. Diese Resultate beruhen auf eine Adaption der von Dellnitz entwickelten Subdivisionsverfahren, die eine beträchtliche Verbesserung gegenüber den bisherigen Simulationsverfahren ermöglichen (diese - wie sich jetzt herausgestellt hat - unzureichenden numerischen Ergebnisse hatten die tatsächliche Komplexität des Systemverhaltens nicht adäquat wiedergeben können). Die hier berechneten Pullback-Attraktoren werden in Zukunft sicherlich auch in der kontinuierlichen Theorie studiert werden. F. Lempio diskutierte den Stand der Numerik von Differentialinklusionen, die jedoch für das langfristige Verhalten von nichtlinearen Systemen noch wenig beizusteuern hat. Hier trafen insbesondere die Untersuchungen zur Interpolation mengenwertiger Abbildungen auf großes Interesse. A. Dontchev beleuchtete vom Standpunkt der optimalen Steuerung zeitliche/räumliche Diskretisierungsprozesse.

Den Abschluß des Workshops bildeten zwei mehr theoretisch orientierte Vorträge: B. Aulbach lieferte einen Abriß der Arbeiten in seiner Gruppe über invariante Mannigfaltigkeiten für zeitabhängige Differentialgleichungen und ihrer Anwendungen (sie spielen u.a. in der Theorie zufälliger Differentialgleichungen und in der Kontrolltheorie eine wichtige Rolle). K. Mischaikow präsentierte eine Theorie des Conley Index für Schiefproduktflüsse. Bei dieser Verfeinerung wird die Faserstruktur erstmals berücksichtigt. Diese Resultate sind insbesondere mit Blick auf die beiden eben genannten Anwendungsbereiche entwickelt worden. Sie bieten gute Aussichten, einen Durchbruch, jedenfalls für kontrolltheoretische Anwendungen, zu ermöglichen. Anwendungen in der "meßbaren" Theorie sind noch ein ganzes Stück entfernt.

Trotz der unterschiedlichen Arbeitsgebiete der beteiligten Wissenschaftler zeigte sich in den Vorträgen eine erstaunliche Kohärenz. Dabei wurden Parallelen deutlich, die in Zukunft zu einem stärkeren Erfahrungsaustausch führen werden. Dies wird über die schon bestehenden Beziehungen (etwa Kontrolltheorie/zufällige dynamische Systeme, Subdivisionstechniken als vereinheitlichende algorithmische Idee) hinaus auch verstärkt die numerische Seite der Viabilitätstheorie einbeziehen.


F. Colonius (Augsburg),   M. Dellnitz (Bayreuth)