Worte zur Mathematik
- M. Rolle, aus Du nouveau systême de l'infini, Histoire et Mémoires de l'Académie Royale des Sciences (1703), p. 312 :
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On avait toujours regardé la Géométrie comme une Science exacte , & même comme la source de l'exactitude qui est répandue dans toutes les autres parties des Mathématiques. On ne voyait parmi ses principes que de véritables axiomes : tous les théorêmes & tous les problèmes qu'on y proposoit étoient ou solidement démontrés, ou capables d'une solide démonstration ; & s'il s'y glissoit quelques propositions ou fausses ou peu certaines , aussi-tôt on les bannissoit de cette science.
Mais il semble que ce caractere d'exactitude ne regne plus dans la Géométrie depuis que l'on y a mêlé le nouveau Systême des Infiniment petits. Pour moi , je ne vois pas qu'il ait rien produit pour la vérité , & il me paroît qu'il couvre souvent l'erreur.
Die Geometrie wurde immer schon als exakte Wissenschaft gesehen, ja selbst als den Quell der Exaktheit, der sich über alle anderen Beriche der Mathematik vergoss. Unter den Prinzipien waren nur wahre Axiome: alle Theoreme und gestellten Probleme wurden entweder sicher gezeigt oder könnten sicher gezeigt werden. Falls eine falsche oder ungenaue Annahme sich eingeschlichen hätte, wären jene sofort von dieser Wissenschaft ausgeschlossen worden.
Aber es scheint, als würde dieser exakte Wesenszug nicht mehr in der Geometrie herrschen, seitdem das neue System der unendlich kleinen Mengen hineingebracht worden ist. Ich sehe nicht, dass dieses System etwas zur Wahrheit beigetragen hätte, mir erscheint es oft Fehler zu verschleiern.
- C.F. Gauss an Sophie Germain (April 1807):
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Mais comment Vous décrire mon admiration et mon étonnement, en voïant se metamorphoser mon correspondant estimé Mr. Leblanc en cet illustre personnage,
qui donne un exemple aussi brilliant de ce que j'aurois peine de croire. Le goût pour les sciences abstraites en general et surtoût pour les mysteres des nombres est fort rare:
on ne s'en etonne pas; les charmes enchanteurs de cette sublime science ne se decelent dans toute leur beauté qu'à ceux qui ont le courage de l'approfondir.
Mais lorsqu'une personne de le sexe, qui, par nos moeurs et par nos prejugés, doit rencontrer infiniment plus d'obstacles et de difficultés, que les hommes, à se familiariser avec ces recherches epineuses,
sait neansmoins franchir ces entraves et penetrer ce qu'elles ont de plus caché, il faut sans doute, qu'elle ait le plus noble courage, des talents tout à fait extraordinaires,
le génie superieur. En effet rien ne pourroit me prouver d'une maniere plus flateuse et moins equivoque, que les attraits de cette science, qui a embelli ma vie tant de jouissances ne sont pas chimeriques, que la predilection,
dont Vous l'avez honorée.
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Doch wie kann ich Ihnen meine Bewunderung und Überraschung beschreiben, als ich bemerkte, dass mein geschätzter Korrespondent Monsieur Le Blanc sich in diese erlauchte Persönlichkeit verwandelte,
welches ein vortreffliches Beispiel dafür darstellt, was mir so schwer zu glauben fällt. Der Geschmack an den abstrakten Wissenschaften im Allgemeinen und an den Geheimnissen der Zahlen im Besonderen ist äußerst selten,
darüber braucht man sich nicht zu wundern: Die angenehmen Zauber dieser erhabenen Wissenschaft enthüllen sich in ihrer umfassenden Schönheit nur denjenigen, die den Mut haben, sie zu ergründen. Wenn aber eine Person des anderen Geschlechts,
welche durch unsere Sitten und durch unsere Vorurteile, auf unendlich mehr Hindernisse und Schwierigkeiten stoßen muss als die Männer, um sich mit ihrer Erforschung vertraut zu machen, es dennoch versteht,
diese Hürden zu nehmen und zu den Geheimnisse vorzudringen, die sich dahinter verbergen, dann besitzt sie ohne Zweifel den edelsten Mut, die außergewöhnlichsten Talente, einen überlegenen Geist. In der Tat,
nichts konnte mir auf angenehmere und eindeutigere Art beweisen, dass die Reize dieser Wissenschaft, die mein Leben mit so vielen Freuden verschönert haben, nicht eingebildet sind, als die Vorliebe, mit der Sie sie beehrt haben.
- C.F. Gauss im Vorwort zu Eisenstein,
Mathematische Abhandlungen (Berlin, 1847):
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Die Höhere Arithmetik bietet einen unerschöpflichen Reichthum an
interessanten Wahrheiten dar, und zwar an solchen, die nicht vereinzelt,
sonder in innigem Zusammenhange stehen, und immer neue, ja unerwartete
Verknüpfungen erkennen lassen, je weiter die Wissenschaft sich
ausbildet. Ein großer Theil ihrer Lehren gewinnt auch einen neuen Reiz
durch die Eigenthümlichkeit, daß gewichtige Lehrsätze in einfach
ausgeprägtem Inhalt uns leicht durch Induction zugeführt werden, deren
Begründung doch so tief liegt, daß man erst nach vielen vergeblichen
Versuchen dazu gelangt, und dann meistens auf beschwerlichen künstlichen
Wegen, während die einfacheren Methoden lange verborgen bleiben. Auch
auf dem Felde der transcendenten Funktionen fehlt es nicht an ähnlichen
Reizen und Erscheinungen.
- C.F. Gauss, Theoria residiorum biquadraticorum Commentatio secunda;
Werke, Bd. 2 (Goettingen, 1863), p. 177:
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Hat man diesen Gegenstand [der imaginären Größen] bisher aus einem
falschen Gesichtspunkt betrachtet und eine geheimnisvolle Dunkelheit
dabei gefunden, so ist diess großentheils den wenig schicklichen
Benennungen zuzuschreiben. Hätte man +1, -1, Wurzel(-1) nicht positive,
negative, imaginäre (oder gar unmögliche) Einheit, sondern etwa directe,
inverse, laterale Einheit genannt, so hätte von einer solchen Dunkelheit
kaum die Rede sein können."
- G.F.W. Hegel, Phänomenologie des Geistes:
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Was die/mathematischen/Wahrheiten betrifft, so würde noch weniger der für einen Geometer gehalten werden, der die Theoreme Euklids/auswendig/wüßte, ohne ihre Beweise, ohne sie, wie man im Gegensatze sich ausdrücken könn[t]e,/inwendig/zu wissen. ...
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Im mathematischen Erkennen ist die Einsicht ein für die Sache äußerliches Tun; es folgt daraus, daß die wahre Sache dadurch verändert wird. Das Mittel, Konstruktion und Beweis, enthält daher wohl wahre Sätze; aber ebensosehr muß gesagt werden, daß der Inhalt falsch ist. Das Dreieck wird ... zerrissen und seine Teile zu anderen Figuren, die die Konstruktion an ihm entstehen läßt, geschlagen. Erst am Ende wird das Dreieck wiederhergestellt, um das es eigentlich zu tun ist, das im Fortgange aus den Augen verloren wurde und nur in Stücken, die anderen Ganzen angehörten, vorkam. — Hier sehen wir also auch die Negativität des Inhalts eintreten, welche eine Falschheit desselben ebensogut genannt werden müßte als in der Bewegung des Begriffs das Verschwinden der festgemeinten Gedanken.
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Die eigentliche Mangelhaftigkeit dieses Erkennens aber betrifft sowohl das Erkennen selbst als seinen Stoff überhaupt. — Was das Erkennen betrifft, so wird fürs erste die Notwendigkeit der Konstruktion nicht eingesehen. Sie geht nicht aus dem Begriffe des Theorems hervor, sondern wird geboten, und man hat dieser Vorschrift, gerade diese Linien, deren unendlich andere gezogen werden könnten, zu ziehen, blindlings zu gehorchen, ohne etwas weiter zu wissen, als den guten Glauben zu haben, daß dies zur Führung des Beweises zweckmäßig sein werde. Hintennach zeigt sich denn auch diese Zweckmäßigkeit, die deswegen nur eine äußerliche ist, weil sie sich erst hintennach beim Beweise zeigt. — Ebenso geht dieser einen Weg, der irgendwo anfängt, man weiß noch nicht in welcher Beziehung auf das Resultat, das herauskommen soll. Sein Fortgang nimmt/diese/Bestimmungen und Beziehungen auf und läßt andere liegen, ohne daß man unmittelbar einsähe, nach welcher Notwendigkeit; ein äußerer Zweck regiert diese Bewegung.
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Die/Evidenz/dieses mangelhaften Erkennens, auf welche die Mathematik stolz ist und womit sie sich auch gegen die Philosophie brüstet, beruht allein auf der Armut ihres/Zwecks/und der Mangelhaftigkeit ihres/Stoffs/und ist darum von einer Art, die die Philosophie verschmähen muß. — Ihr/Zweck/oder Begriff ist die/Größe/. Dies ist gerade das unwesentliche, begrifflose Verhältnis. Die Bewegung des Wissens geht darum auf der Oberfläche vor, berührt nicht die Sache selbst, nicht das Wesen oder den Begriff und ist deswegen kein Begreifen. — Der/Stoff/, über den die Mathematik den erfreulichen Schatz von Wahrheiten gewährt, ist der/Raum/und das/Eins/. Der Raum ist das Dasein, worein der Begriff seine Unterschiede einschreibt als in ein leeres, totes Element, worin sie ebenso unbewegt und leblos sind. Das/Wirkliche/ist nicht ein Räumliches, wie es in der Mathematik betrachtet wird; mit solcher Unwirklichkeit, als die Dinge der Mathematik sind, gibt sich weder das konkrete sinnliche Anschauen noch die Philosophie ab. In solchem unwirklichen Elemente gibt es denn auch nur unwirkliches Wahres, d.h. fixierte, tote Sätze; bei jedem derselben kann aufgehört werden; der folgende fängt für sich von neuem an, ohne daß der erste sich selbst zum ändern fortbewegte und ohne daß auf diese Weise ein notwendiger Zusammenhang durch die Natur der Sache selbst entstünde. — Auch läuft um jenes Prinzips und Elements willen — und hierin besteht das Formelle der mathematischen Evidenz — das Wissen an der Linie der/Gleichheit/fort. Denn das Tote, weil es sich nicht selbst bewegt, kommt nicht zu Unterschieden des Wesens, nicht zur wesentlichen Entgegensetzung oder Ungleichheit, daher nicht zum Übergange des Entgegengesetzten in das Entgegengesetzte, nicht zur qualitativen, immanenten, nicht zur Selbstbewegung. Denn es ist die Größe, der unwesentliche Unterschied, den die Mathematik allein betrachtet. Daß es der Begriff ist, der den Raum in seine Dimensionen entzweit und die Verbindungen derselben und in denselben bestimmt, davon abstrahiert sie; sie betrachtet z.B. nicht das Verhältnis der Linie zur Fläche; und wo sie den Durchmesser des Kreises mit der Peripherie vergleicht, stößt sie auf die Inkommensurabilität derselben, d.h. ein Verhältnis des Begriffs, ein Unendliches, das ihrer Bestimmung entflieht.
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Die immanente, sogenannte reine Mathematik stellt auch nicht die/Zeit/als Zeit dem Räume gegenüber, als den zweiten Stoff ihrer Betrachtung. Die angewandte handelt wohl von ihr, wie von der Bewegung, auch sonst anderen wirklichen Dingen; sie nimmt aber die synthetischen, d.h. Sätze ihrer Verhältnisse, die durch ihren Begriff bestimmt sind, aus der Erfahrung auf und wendet nur auf diese Voraussetzungen ihre Formeln an. Daß die sogenannten Beweise solcher Sätze, als der vom Gleichgewichte des Hebels, dem Verhältnisse des Raums und der Zeit in der Bewegung des Fallens usf., welche sie häufig gibt, für Beweise gegeben und angenommen werden, ist selbst nur ein Beweis, wie groß das Bedürfnis des Beweisens für das Erkennen ist, weil es, wo es nicht mehr hat, auch den leeren Schein desselben achtet und eine Zufriedenheit dadurch gewinnt. Eine Kritik jener Beweise würde ebenso merkwürdig als belehrend sein, um die Mathematik teils von diesem falschen Putze zu reinigen, teils ihre Grenze zu zeigen und daraus die Notwendigkeit eines anderen Wissens. — Was die/Zeit/betrifft, von der man meinen sollte, daß sie, zum Gegenstücke gegen den Raum, den Stoff des ändern Teils der reinen Mathematik ausmachen würde, so ist sie der daseiende Begriff selbst. Das Prinzip der/Größe/, des begrifflosen Unterschiedes, und das Prinzip der/Gleichheit/, der abstrakten unlebendigen Einheit, vermag es nicht, sich mit jener reinen Unruhe des Lebens und absoluten Unterscheidung zu befassen. ...
- F. Schiller, aus Deutsches Wörterbuch, Stichwort "tüchtig",
Jacob und Wilhelm Grimm; Bd. 22, Sp. 1508 (Leipzig, 1864-1961):
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Einem ist sie (die Wissenschaft) die hohe, die himmlische Göttin, dem anderen eine tüchtige Kuh, die ihn mit Butter versorgt.
Bilder zur Mathematik
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